Loslassen oder Grenzen-setzen? Wann braucht’s das eine, wann das andere?

Du kennst es sicher, wie es sich anfühlt, vor einer Weggabelung zu stehen, und nicht zu wissen: Gehe ich jetzt nach links oder rechts? Ist es an der Zeit komplett loszulassen … z.B. von einer unerfüllten Beziehung, vom ewigen Warten darauf, dass es irgendwann mal besser wird? Oder solltest du noch einen Versuch starten, indem du anfängst, für deine Werte (für all das, was dir heilig und wichtig ist in der Beziehung) einzustehen und deinem Gegenüber gesunde Grenzen zu setzen?

In einer solch emotionalen Zwickmühle ist es nicht einfach, eine klare Entscheidung zu treffen.

Mir ging es da – wenn ich auf meine vergangenen Beziehungen zurückblicke – nicht anders: sei es in meiner gescheiterten Ehe, in der schicksalhaften Begegnung mit wichtigen Seelengefährten oder manch anderem flüchtigen Liebesabenteuer.

Und eine ganze Weile dachte ich, dass das Loslassen im Vergleich zum Grenzen-setzen die schwierigere von beiden Aufgaben sei. Bis mir eines Tages bewusst wurde, welch unterschiedliche Energien diese beiden Worte prägen.

Teste selbst mal, wenn du magst, welches Bild in dir hochkommt, wenn du an Loslassen denkst. Und welche Form es annimmt, wenn es um das Grenzen-setzen geht.

Das erste Bild, das ich intuitiv mit Loslassen assoziiere, zeigt mir Pferde in freier Wildbahn. Es ist dieses Gefühl, endlich frei zu sein von Gefangenschaft, Enge, Stagnation … das Gefühl, den Schmerz einer beklemmenden, ungesunden Beziehung endlich hinter sich zu lassen …

… das tolle Gefühl der Freiheit NACH dem Bewusstmachen und Heilen des Schmerzes. 

Schaue ich mir das intuitive Bild an, das ich mit dem Grenzen-setzen verknüpfe, gleicht es dem Mauern einer Wand. Einer Wand, die uns vor schmerzhaften Erfahrungen, unguten Gefühlen und Ängsten schützen soll …

… es ist vor allem die Angst VOR dem sich langsam anbahnenden, aufbäumenden Schmerz. 

Wenn wir also vom Loslassen sprechen, meinen wir oft das Frei-werden von Schmerz, wenn es um das Grenzen-setzen geht, wollen wir uns vor eben diesem Schmerz schützen.

Es ist wie ein Vorher-Nachher-Szenario, denn beide bedingen einander.

Und erst mit der Bereitschaft genau hinzuschauen und zu fühlen, was uns innerlich dazu bewegt, die Mauern hochzuziehen, wovor wir uns eigentlich genau schützen müssen/wollen, bringt uns unserer inneren Heilung einen großen Schritt näher.

Erst wenn du wirklich ganz tief in dir spürst, welches deine Motivation ist, die sich hinter dem Grenzen-setzen – dem Hochziehen der Mauer – verbirgt, befreist du dich tiefgründig von den emotionalen Fesseln, die dich an diesen Menschen gebunden halten. Weil in dem Moment, wo du hinter die Kulissen geschaut, die Wunde erkannt und den verborgenen Schmerz in dir an die Oberfläche gebracht hast, bist du frei!

Du wirst in dem Moment keine Grenzen mehr brauchen. Der Mensch/die Situation wird dich nicht mehr weiter belasten. Und dann passiert auch das Loslassen auf einmal von ganz allein = das Loslassen des Schmerzes, weil du ihn dir bewusst gemacht und gefühlt hast. Und weil er dir deutlich gemacht hat, dass DU IMMER EINE WAHL HAST, ob du weiterhin im Schmerz verweilen oder ihn endlich hinter dir lassen möchtest.

Dieser Schmerz ist erfahrungsgemäß alles andere als angenehm …

… er gleicht einem Fegefeuer, der all das in deinem Herzen wegbrennt, was nicht Liebe ist. Es ist das Feuer, das dich von deinen kindlichen Erwartungshaltungen, deinen Fluchtmechanismen und deinen egobelasteten Wünschen befreit.

Einmal an diesem Punkt angelangt, bist du wahrhaftig frei und in der Lage, eine erwachsene Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, ob du in der Beziehung bleiben und diese auf eine neue, reifere Ebene heben oder sie verlassen möchtest. Dann wirst du endlich die Klarheit haben, die du dir schon so lange gewünscht hast.

Solange dein Herz noch verstrickt und „emotional“ gefangen ist – oder auch der Kopf (gerade dann, wenn es um verdrängte Ängste und Sicherheitsbedürfnisse geht) –, wirst du innerlich zerrissen sein. Solange wirst du von deinen Emotionen, deinen alten Ängsten geleitet, die du viel zu lange unterdrückt hast. Daher braucht es deren Klärung, damit Herz und Kopf barrierefrei miteinander kommunizieren können.

Sobald du dich von diesen alten Emotionen befreit hast, wird dir dein Partner (sei es dein aktueller oder dein neuer Gefährte) nicht mehr als Projektionsfläche für deine ungestillten Wünsche und Sehnsüchte dienen.

Das wird besonders dann der Fall sein, wenn du dich so sehr für dich, dein Leben und deine persönlichen (Beziehungs-)Werte verpflichtest, dass du dich für die Erfüllung deiner Wünsche künftig selbst verantwortlich zeichnest.

Warum also nicht gleich hinschauen und dich damit konfrontieren, welches deine Sehnsüchte sind. Wo es dich hinträumt? Oder wovor du (noch) Angst hast?

In diesem Sinne wünsche ich dir erkenntnisreiche Beziehungserfahrungen (ob in der Liebe, in der Familie, in deinen Freundschaften oder im Job) … mögen sie dich bereichern, verwandeln und dein Leben in ein gesünderes Gleichgewicht bringen.

Herzlichst,
Ute